Massen-Yoga in Neu Delhi | Bildquelle: AFP

Welt-Yoga-Tag "Für uns ist immer Happy Hour"

Stand: 21.06.2015 06:38 Uhr

Heute wird zum ersten Mal der Welt-Yoga-Tag gefeiert. Indiens Premierminister Modi hatte eine flammende Rede vor den Vereinten Nationen gehalten - und 175 Nationen stimmten zu. Ein Besuch in der Weltstadt des Yogas: Rishikesh.

Von Silke Dittrich, ARD-Hörfunkstudio Südasien

Der Happy Rishikesh-Song - vor über 40 Jahren haben die Beatles dieses Lied am Ufer des Ganges komponiert. Der Fluss ist für die Hindus heilig. Er rauscht die Berge des Himalaya herab und schlängelt sich glasklar durch die Kleinstadt hindurch. Tausende Pilger, Touristen und Yogis kommen im Jahr hierher.

Einige kehren nie wieder in ihre Heimat zurück, so wie Sadhvi Bhagawatiji, wie die US-Amerikanerin heute genannt wird. Sie kam, wie sie es sagt, von Hollywood nach Holywood, also vom Mekka der Filmindustrie in den heiligen Ort Rishikesh: „Es ist ein Ort, an dem vor über tausend Jahren Heilige hinkamen, um zu meditieren, um Yoga zu machen. Dadurch ist die gesamte Gegend hier spirituell aufgeladen“, meint sie.

Massen-Yoga in Neu Delhi | Bildquelle: AFP
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Zum Welt-Yoga-Tag breiteten Tausende in Neu Delhi ihre Matten aus, in vorderster Reihe...

Indiens Premier Modi macht Yoga | Bildquelle: AP
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...Indiens Premier Modi. Er hatte den Welt-Yoga-Tag iniziiert.

Jugendherberge oder Wellness-Zimmer?

Sadhvi Bhagawatiji lebt in einem Ashram - eine Art indisches Meditationszentrum, das einem Kloster ähnelt. In dem Ashram Parmath Niketan können über 1000 Gäste übernachten. Den Pilgern oder Yogis steht zur Wahl: Jugendherbergsvariante oder Wellness-Zimmer. Prominente Gäste gehen in dem modernen Ashram ein und aus: Prince Charles, Uma Thurman, Shimon Peres oder der Dalai Lama waren schon hier.

Jedes Jahr im März kommen tausende Menschen aus der ganzen Welt hierher, um das internationale Yoga-Festival zu feiern. Auch Hema aus Malaysia hat sich nach Rishikesh aufgemacht und verbringt ihren dreiwöchigen Urlaub im Ashram: Sie findet das Yoga, das sie dort unterrichten, "ganz rein". Hier könne man das wahre Yoga lernen. "Es geht darum, die Balance zwischen Arbeit, Leben und Spiritualität zu finden. Dadurch wird man ein fröhlicher, ruhiger und glücklicher Mensch", sagt sie. Das habe sie in Rishikesh gelernt.“

Yoga ist in der Stadt aber auch ein Geschäft. In den Gassen wird man von Plakaten erschlagen: Angebote für Yoga-Unterricht, Yoga-Spezial-Essen, Yoga-Schulen. In den unzähligen Lädchen gibt es Yoga-Matten, Yoga-Hosen, Yoga-Bücher. Yoga für den Deluxe-Urlauber oder den Low-Budget-Yogi. In Internetforen tauschen sich enttäuschte Yoga-Schüler über Abzocker aus.

"Yoga ist Einheit"

Pilger kommen hierher und widmen ihrem spirituellen Meister einen Lobgesang. Für die meisten von ihnen erfüllt sich in Rishikesh ein Traum. Sie kommen in diesen heiligen Ort, um sich segnen zu lassen, zum Beispiel von Pujya Swamiji. Er ist der geistige Führer des Ashrams Parmath Niketan.

Pujya Swamiji und Silke Diettrich (Foto: Silke Diettrich/ARD)
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Pujya Swamiji im Interview mit der ARD: "High ohne Kater"

Sprechstunde beim Swami. Im Schneidersitz sitzt er auf Kunstrasen vor einem Baum, die langen Haare und der ebenso lange Bart fallen auf seine orangefarbene Kutte. Der Swami ist eine Art spiritueller Meister, die Menschen bitten ihn um Rat in allen Lebensfragen: "Ich sehe Menschen, die hierher kommen, die eigentlich alles haben", sagt er - ihre eigenen vier Wände, Schlafzimmer und Badezimmer. "Alles ist eingerichtet. Aber sie sind unglücklich. Was ist das? Sie sind innerlich nicht gesetzt. Aber das wird weltweit gebraucht, und das gibt Yoga dir", sagt er: "Yoga ist Einheit."

Mit acht Jahren zu einem Geistlichen

Die Einheit von Körper und Seele, das ist Yoga, wie es der Swami seit seiner Kindheit gelernt hat. Mit acht Jahren gab seine Mutter ihn in die Obhut eines Geistlichen. Neun Jahre haben Kind und Guru zusammen in den Bergen in einer Höhle gelebt. Das aber sei nicht die Voraussetzung, um ein Leben im Sinne des Yogas zu führen, sagt der Swami:

Ob man in einer Höhle oder in Hollywood sei - oder in welchem Land auch immer. Yoga könne man überall leben. "Ich habe in der Wildnis nie eine Klasse absolviert, wo es um Stressmanagement gegangen wäre. Es ging ausschließlich darum, sich selbst zu managen", sagt er.

Selbstmanagement. Genau das reizt auch den Filmemacher Michael Stöger. Seit vielen Jahren bereist er mehrmals im Jahr Indien. In Rishikesh, sagt er, habe er gar nicht das Gefühl, aktiv zu meditieren. Die innere Balance komme fast wie von selbst auf einen zu, sagt der Österreicher: "Diese Tradition, diese Kultur kann uns etwas lehren, was wir im Westen wohl noch nie in dem Ausmaß gehabt haben. Dass wir die Tiefe vom Menschsein als Ganzes ausloten können."

Beweglichkeit in den Geist

Und genau das sei der Unterschied zwischen jenem Yoga, wie es oft im Westen gelehrt werde, und dem Yoga, das man in Rishikesh lerne, sagt der Swami. Es gehe hier nicht darum, ein Yoga-Zertifikat in der Tasche zu haben, das man mit einer 1+ abschließe: "Yoga heißt nicht nur, deine Nase an dein Knie zu bringen oder deinen Kopf an deinen Zeh zu bringen. Das wahre Yoga bedeutet nicht nur Beweglichkeit in deinen Körper zu bringen, sondern in deinen Geist."

Anscheinend beseelt sitzen die Ashram-Bewohner jeden Abend am Ufer des Ganges und ehren bei Sonnenuntergang den heiligen Fluss. Ausgeglichen sehen die singenden Yogis aus. Kein Wunder, findet der Swami: Zu viele Menschen auf der Welt versuchten, ihren Stress im Alkohol zu ertränken. Yoga, sagt er, sei die einzig wahre Happy Hour im Leben: "Wir haben keinen Kater und du fühlst dich trotzdem high! 24 Stunden am Tag. Was brauchst du mehr?"

"Für uns ist immer Happy Hour"
S. Diettrich, ARD Neu-Delhi
21.06.2015 15:55 Uhr

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Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Juni 2015 um 13:15 Uhr.

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